Aufgrund inhaltlicher Bedenken und der derzeitigen Rechtslage bieten wir in unserer Praxis grundsätzlich keine Behandlungen mit Psilocybin an.
Was ist Psilocybin?
Psilocybin gehört zur Gruppe der Psychedelika. Das Wort “Psychedelika” stammt aus dem Altgriechischen und bezeichnet “die Seele offenbarende” chemische Substanzen. Schon allein diese Bezeichnung birgt die Gefahr einer Irreführung da es sich eigentlich um Halluzinogene handelt. Halluzinogene führen zu Sinnestäuschungen (!) und diese Sinnestäuschungen müssen keineswegs irgendeine Wahrheit offenbaren. Die Wirkung von Psychedelika geht über bloße Halluzinationen aber oft auch hinaus. So können Psychedelika zu einer tiefgreifenden Veränderung des emotionalen Erlebens, des Bewusstseins und der Wahrnehmung führen können.
Typische Psychedelika sind Psilocybin, Ayahuasca und LSD. Es gibt aber auch atypische Psychedelika wie Ketamin oder MDMA (Ecstasy). Die besten Untersuchungen zur Wirksamkeit von typischen Psychedelika liegen derzeit für Psilocybin vor. Psilocybin wurde traditionell meist in Form von psilocybinhaltigen Pilzen (“magic mushrooms”) konsumiert. Psilocybin führt dabei zu einem psychedelischen Rausch mit visuellen Halluzinationen. Dieser Zustand ähnelt einem Rauschzustand unter LSD, ist in der Regel aber kürzer. Oft kommt es zu einem Gefühl der körperlichen Leichtigkeit und Energie, enthemmten Gelächter, Freunde bis hin zu Euphorie und einer veränderten visuellen Wahrnehmung. Dabei kann es aber auch zu relevanten Nebenwirkungen kommen, welche durchaus auch langfristig anhalten können.
Mögliche Indikationen im Bereich der Psychotherapie
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Depressionen
- Angststörungen
- Sexuelle Funktionsstörungen
- Psychosomatische Symptome
- Nikotinabhängigkeit
Die Wirkung von Psilocybin
Psyilocybin führt zu einem besonderen Bewusstseinszustand in welchem sich die Sinneswahrnehmungen wie in einem Traum verändern. Dabei können diese Wirkung subjektiv sowohl positiv als auch negativ sein. Im positiven Fall kommt es zu einer Form von Einheitserleben mit der Welt. Diese Wahrnehmung wird über bestimmte Rezeptoren im Gehirn vermittelt und bedeutet nicht unbedingt, dass die Welt wirklich so ist wie sie in diesem Zustand wahrgenommen wird. Insofern stellt sich auch die Frage, ob man diesen Effekt als “spirituelles Erlebnis” bezeichnen sollte. Letztlich handelt es sich ja um eine drogeninduzierte Sinnestäuschung in Verbindung mit einem besonderen Erleben der inneren und der äußeren Realität.
Psilocybin: akute Nebenwirkungen
Psilocybin gilt in Bezug auf die akute (!) Wirkung als insgesamt gut verträglich und risikoarm. Die akuten Nebenwirkungen sind in der Regel dosisabhängig und klingen meist innerhalb von 24 Stunden wieder ab. Hier wird am häufigsten über Kopfschmerzen, Übelkeit und Angstzustände berichtet. Bisher wurden die akuten Nebenwirkungen aber oft auch nur unsystematisch erfasst. Gerade bei den auftretenden Ängsten stellt sich auch die Frage, ob es sich dabei eigentlich um die Wirkung oder um die Nebenwirkung handelt.
Gerade eine Überdosierung birgt die Gefahr, dass es hier zu fragmentiertem und überforderndem subjektiven Erleben kommt, welches danach nicht verarbeitet werden kann. Zudem kann es gerade im Rahmen einer “wilden” Einnahme – also einer Einnahme ohne professionelle Begleitung – zu sexuellen oder anderen Übergriffen kommen, welche zu einer neuen bzw. erneuten Traumatisierung führen können.
Oft hängt es oft von den Rahmenbedingungen der Einnahme (Setting) ab, ob der Betroffene eine subjektiv positive oder negative Erfahrung unter Psilocybin macht. Da die Wirkung nicht vorhersehbar ist, sollte die Einnahme nur unter ärztlich-psychotherapeutischer Aufsicht erfolgen. So kann es unter Psilocybin auch zu einem “real erlebten Albtraum” kommen was von den Betroffenen oft als “Horrortrip” bezeichnet wird. Überhaupt kann es unter Psilocybin auch zu einer negativen Wirkung mit Angst- und Verzweiflungszuständen bis hin zu Suizidalität kommen. Auch die Sinnestäuschungen können lebensbedrohlich sein wenn zum Beispiel anstelle eines Abgrunds in der Phantasie eine Brücke gesehen wird und der Betroffene sich frei bewegen kann und “über die Brücke” gehen will.
Psilocybin: langfristige Wirkungen und Nebenwirkungen
Die Einnahme von Psilocybin hat oft auch einen Effekt, welcher über den Zeitpunkt der Einnahme und die daran anschließenden 24 Stunden hinausgeht. Es geht also nicht nur um die direkte Einwirkung der Substanz auf bestimmte Rezeptoren im Gehirn, sondern um einen längerfristigen Effekt auf die Psyche. Dabei scheint Psilocybin tatsächlich in der Lage zu sein langfristige Effekte in der Psyche auszulösen. Auch diese Wirkung kann sowohl positiv als auch negativ sein.
So beschreiben manche Menschen beispielsweise eine spirituelle Erfahrung unter Psilocybin welche sich auch langfristig positiv auf ihre Art des Umgangs mit Menschen auswirkt. Es gibt aber auch langfristige Effekte, welche von den Betroffenen als negativ wahrgenommen werden. So sagte eine zuvor in ihrer Partnerbeziehung eigentlich glückliche Ehefrau beispielsweise nach der Einnahme von Psilocybin, dass sie seit der Einnahme unzufrieden mit der Beziehung sei, sich trennen wolle und gar nicht wisse warum. Zudem gibt es auch problematische Erfahrungen, welche unter psychotherapeutischer Betrachtung das Problem nur verstärken. So berichtete eine Patientin, dass sie sich in Partnerschaften immer sofort trenne wenn sie irgendeine Kleinigkeit am Partner störe. Unter Psilocybin habe sie die Erfahrung gemacht, dass sie so völlig in Ordnung sei und ihre Probleme mit Partnerschaften nicht an ihr lägen. Dies würde sie sich so im Alltag immer wieder sagen und diese “positive” Erfahrung verdanke sie der Einnahme von Psilocybin.
Psilocybin führt akut zu Sinnestäuschungen und eingeschränkter bzw. verzerrter Realitätswahrnehmung. Dies sind typische Kennzeichen einer Psychose. Man könnte diese Substanzgruppe deshalb auch als “Psychotika” bezeichnen. Tatsächlich können diese Substanzen auch zum Ausbruch einer psychotischen Erkrankung führen. Möglicherweise ist hierfür aber eine entsprechende Anlage erforderlich wobei man vorher ja in der Regel nicht weiß, ob eine entsprechende Anlage vorhanden ist.
Da die langfristigen Auswirkungen der Einnahme von Psilocybin nicht vorhersehbar sind, ist gerade die unkontrollierte Einnahme sozusagen “ein Spiel mit dem Feuer” wobei es dabei um nichts Geringeres als um die eigene Psyche und die eigene Persönlichkeit geht.
Ethische Probleme bei Psilocybin
Aufgrund der besonderen Wirkungsweise bestehen bei Behandlungen mit Psilocybin bestimmte ethische Konflikte:
- Es besteht ein Machtungleichgewicht zwischen dem Patienten und dem Therapeuten. Dies ist ähnlich wie in der Hypnose.
- Eine informierte Einwilligung des Betroffenen ist kaum möglich da die Wirkung im Einzelfall nicht vorhersehbar ist.
- Die Ich-Auflösung ist eine zentrale pschedelische Erfahrung. Dabei ist durchaus fraglich, ob diese Erfahrung unter psychotherapeutischen Gesichtspunkten überhaupt angestrebt werden sollte da es sich dabei ja letztlich um eine Realitätsverlust handelt, welcher üblicherweise als ein Wesensmerkmal von schweren psychischen Erkrankungen betrachtet wird.
- Auch die einmalige Einnahme von Psychedelika kann zu anhaltenden Persönlichkeitsveränderungen führen. Die durch die psychodelischen Erfahrungen gemachten Erfahrungen können zu positiven und auch negativen Veränderungen der Persönlichkeit führen. Dabei ist der Prozess aber nicht umkehrbar und kann nicht rückgängig gemacht werden.
- Die Einnahme von Psilocybin kann zu “Einsichten” führen, welche unter psychotherapeutischen Gesichtspunkten durchaus bedenklich sein können. Überzeugungen wie “Das Universum liebt mich” könnte man auch als eine schöne Illusion betrachten wobei derartige metaphysische Überzeugungen ja wissenschaftlich nicht wirklich widerlegt werden können. Dennoch können derartige Überzeugungen dem Betroffenen schaden da hierunter die Einschätzung der Realität leiden kann wodurch dann die Fähigkeit zur Realitätsbewältigung eingeschränkt sein kann. Menschen handeln aufgrund dessen was sie für wahr halten. Letztlich könnte man derartige Überzeugungen auch als eine Illusion betrachten und es stellt sich psychotherapeutisch die Frage, ob der Betroffene durch mehr Illusionen gesünder oder nicht doch eher kränker wird. Man könnte deshalb auch von “Pseudo-Einsichten” (“placebo insight”, “comforting delusions”) sprechen.
Psilocybin: Notwendige Sicherheitsmaßnahmen
Bei der Einnahme von Psilocybin sollte immer eine Person anwesend sein um den Betroffenen in diesem Ausnahmezustand “vor sich selbst” schützen zu können. Bei dieser Person sollte es sich um einen Arzt oder Psychotherapeuten handeln, welcher die Person und deren Biographie gut kennt und eine fachliche Expertise mit Psilocybin hat.
Vor der Einnahme sollte eine Drogenabhängigkeit, eine Schizophrenie, eine bipolare Störung und weitere psychische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Zudem sollten auch körperliche Erkrankungen ärztlich ausgeschlossen werden da es durch die intensiven psychischen Erlebnisse zu einer starken Wirkung auf Herz- und Kreislauf kommen kann.
Auch eine mögliche Traumatisierung sollte vor (!) der Einnahme erkannt werden wobei gerade bei traumatisierten Menschen die professionelle Behandlung mit Psilocybin eine sehr gute Wirkung haben kann. Die Vor- bzw. Nachbearbeitung der Erfahrung und die Betreuung während der Einnahme sollte dann aber durch einen Psychotherapeuten erfolgen, welcher über ausreichend Erfahrung mit der psychotherapeutischen Behandlung von traumatisierten Patienten verfügt.
Fazit
Psilocybin und ander Psychedelika stellen einen aussichtsreichen Therapieeinsatz für die Psychiatrie und Psychotherapie dar. Dabei sind besonders die langfristigen Wirkungen unter therapeutischen Gesichtspunkten von Interesse. Dabei handelt es sich um einen einzigartigen Wirkmechanismus, welcher nicht auf die bloße pharmakologische Wirkung an bestimmten Rezeptoren im Gehirn zu reduzieren ist. Es handelt sich eher um einen medikamentös verursachten psychischen Prozess, welcher zu einer Veränderung der Psyche führen kann. Die Veränderung kann für den Betroffenen positiv und negativ sein. Die Richtung der Veränderung ist dabei nicht vorhersagbar und kann auch langfristig erhalten bleiben. Dennoch ist die Einnahme zu therapeutischen Zwecken unter kontrollierten Bedingungen und ärztlich-psychotherapeutischer Begleitung durchaus zu vertreten. Von einer “wilden” Einnahme ohne ärztliche bzw. psychotherapeutische Begleitung ist dringend abzuraten. Diese gleicht einem “Spiel mit dem Feuer”.
Aufgrund inhaltlicher Bedenken und der derzeitigen Gesetzeslage bieten wir in unserer Praxis grundsätzlich keine Behandlungen mit Psilocybin an. Bei Interesse müssten Sie sich an entsprechende universitäre Zentren wie beispielsweise die Charité in Berlin wenden. Dort werden derzeit die Zulassungsstudien für Psilocybin durchgeführt. In anderen Ländern gibt es vereinzelt auch schon Kliniken, welche Psilocybin bei der Behandlung bestimmter psychischer Erkrankungen einsetzen. Hier wäre beispielsweise die Universitätsklinik in Zürich zu nennen. Dort wird Psilocybin neuerdings für die Behandlung von Depressionen eingesetzt. Diese kontrollierte Einnahme bietet vielversprechende Behandlungsmöglichkeiten und in Bezug auf die Risiken mit einer “wilden” Einnahme nicht vergleichbar. Die “wilde” und unkontrollierte Einnahme von Psilocybin ähnelt dagegen eher dem Verhalten von Teenagern: Denn sie wissen nicht, was sie tun…
Literaturempfehlungen
Tom Coraghessan Boyle: Das Licht
(Roman aus dem Jahr 2019)
Stanislav Grof: Topographie des Unbewussten
(Beschreibung der tiefenpsychologischen Forschung mit LSD aus dem Jahr 1975)
Albert Hofmann: LSD – mein Sorgenkind
(Chemiegeschichte aus dem Jahr 1979)
Martin Suter: Die dunkle Seite des Mondes
(Roman aus dem Jahr 2001)
Crys Talix: LSD-Trip in die Ewigkeit – Gedanken eines Hängengebliebenen
(Autobiographische Erzählung aus dem Jahr 2019)