Prof. Otto Kernberg:
“Ich finde, dass die psychoanalytische Theorie die weitaus beste, tiefste und vollständigste Theorie der menschlichen Persönlichkeit ist, die wir haben. Keine der kognitiven Verhaltenstherapien hat eine so weite und tiefgehende theoretische Basis.”
Was ist Psychoanalyse?
Die Psychoanalyse wurde von Sigmund Freud zwischen 1890 und 1939 entwickelt und breitete sich wie ein Lauffeuer in die ganze Welt aus. Es gab danach Zeiten in welchen fast jeder relevante Lehrstuhl für Psychiatrie in den USA von einem Psychoanalytiker besetzt war. Heute hat die Psychoanalyse wohl ihren Zenit überschritten und die Psychoanalyse wird zunehmend von der Verhaltenstherapie verdrängt. Die Psychoanalyse beschäftigt sich mit den unbewussten Hintergründen von psychischen und körperlichen Symptomen. Mit Hilfe des psychoanalytischen Denkens lassen sich Symptome verstehen, welche sich mit den üblichen psychologischen Mitteln eben nicht verstehen lassen.
Prof. Stravos Mentzos:
“Man sieht, dass der Gültigkeitsbereich tiefenpsychologischer Konzepte oft erst dort beginnt, wo nie normal-psychologische Ableitung, der sogenannte gesunde Menschenverstand, Grenzen erreicht.”
Dabei wurden mit der Zeit auch viele Behauptungen Freuds widerlegt, viele Annahmen wurden aber auch bestätigt. Das wesentliche Element psychoanalytischen Denkens ist die Annahme der Existenz eines Unbewussten welches im Zusammenspiel mit dem psychischen Mechanismus der Abwehr zu Symptomen führt. Gerade die Richtigkeit dieses Kerns der psychoanalytischen Lehre hat sich über die Jahrzehnte bestätigt. Die Theorie der Psychoanalyse hat sich seit Freud jedoch erheblich verändert und erweitert. Es wurden neue Konzepte entwickelt und alte Konzepte dafür aufgegeben. Besonders relevant ist hier die Selbstpsychologie von Heinz Kohut und die Theorie zu Persönlichkeitsstörungen von Otto Kernberg. Hierdurch kam es zu erheblichen Modifikationen in der Behandlungstechnik. Insgesamt wurde damit die Psychoanalyse erheblich fortentwickelt wodurch wesentlich bessere Behandlungserfolge möglich wurden. Heute empfiehlt sich deshalb ein respektvoller aber dennoch kritischer Umgang mit der Lehre Freuds:
Prof. Otto Kernberg:
“Freuds Einsicht vom Unbewussten bleibt fundamental richtig. Aber manche seiner Hypothesen müssen im Lichte moderner Forschung modifiziert werden.”
Wie funktioniert eine psychoanalytische Behandlung?
Dies ist eine äußerst komplizierte und schwer zu beantwortende Frage. Letztlich geht es in der Psychoanalyse um ein Durcharbeiten von innerseelischen und zwischenmenschlichen Konflikten. Hierdurch kommt es im Fall einer erfolgreichen Behandlung zu einer inneren Veränderung wodurch die Symptome abheilen und die inneren und äußeren Konflikte zur Zufriedenheit des Betroffenen gelöst sind. Dabei gibt es recht typische Konflikte welche auch oft zu recht typischen Symptomen wie zum Beispiel Angst führen.
Welche Formen der psychoanalytischen Behandlung gibt es?
Psychoanalyse:
Die deutsche Psychotherapie-Richtlinie definiert eine Psychoanalyse als Methode der Persönlichkeitsentwicklung für welche eine hohe Stabilität und psychische Gesundheit erforderlich ist. Eine Psychoanalyse wird dabei nicht als Methode zur Behandlung von psychischen Erkrankungen verstanden. Das psychoanalytische Standardverfahren erfordert vier Therapiesitzungen pro Woche. Eine Behandlungsstunde dauert 50 Minuten. In den Behandlungsstunden liegt der Patient auf der Couch und der Analytiker sitzt hinter dem Kopf des Patienten. Ein direkter Blickkontakt ist so nicht möglich. Diese klassische Form der Psychoanalyse hat zeitlich keine vorgegebene Begrenzung und kann viele Jahre dauern. Dabei geht es in diesem Prozess nicht um das Erreichen eines bestimmten Ziels, sondern um einen Prozess der Selbsterfahrung und der Selbsterkenntnis.
Psychoanalytisch begründete Verfahren:
- Analytische Psychotherapie:
Bei einer über die Krankenkasse finanzierten Form der psychoanalytischen Behandlung werden hingegen klare Zielvorgaben gesetzt. Diese Form der Behandlung nennt sich “analytische Psychotherapie”. Diese Behandlungen erfolgen mit 3 Behandlungsstunden pro Woche, haben eine Länge 160 bis 300 Stunden und laufen so meist über zwei bis drei Jahre. - Modifizierte analytische Psychotherapie:
Dabei kann in bestimmten Situationen auch von dem genannten Setting mit drei Stunde pro Woche abgewichen werden. So gibt es auch psychoanalytische Behandlungen mit zwei Wochenstunden in welchen der Patient dem Therapeuten gegenüber sitzt. Diese Form der Behandlung wird als “modifizierte analytische Psychotherapie” bezeichnet. - Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie:
Zu den psychoanalytisch begründeten Verfahren gehört auch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Tiefenpsychologische Behandlungen werden in der Regel mit ein bis zwei Stunden pro Woche im Sitzen durchgeführt, haben meist eine Länge von 50 bis 100 Stunden und gehen damit häufig über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren.
Psychodynamische Psychotherapie:
Alle von der Psychoanalyse abgeleiteten psychotherapeutischen Verfahren werden heute auch als “psychodynamische Verfahren” bezeichnet. Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie empfiehlt die Verwendung des Begriffs “Psychodynamische Psychotherapie” da die Grenzen zwischen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und analytischer Psychotherapie in der Praxis oft fließend sind.
Wann ist eine analytische Psychotherapie sinnvoll?
Die Indikation für eine analytische Psychotherapie sollte immer sorgfältig abgewogen werden. Die längste und intensivste Behandlung ist nicht automatisch auch die beste und wirkungsvollste. So gibt es Patienten welche nach 300 Stunden analytischer Psychotherapie immer noch unter Beschwerden leiden, welche mit 20 Stunden Verhaltenstherapie vermutlich bereits abgeklungen wären. Andererseits gibt es Patienten mit langen verhaltenstherapeutischen Behandlungen, welche einfach nicht zum Ziel kommen da die Verhaltenstherapie für eine Heilung nicht “tief genug” ansetzt. Vor der Behandlung sollten deshalb immer die unterschiedlichen Verfahren gegeneinander abgewogen werden. Diese Abwägung ist unserer Erfahrung nach äußerst komplex und erfordert eigentlich professionelle Unterstützung. Oft erfolgt die Verfahrenswahl aber mehr oder weniger zufällig was zu frustrierenden Behandlungsverläufen führen kann.
Anwendungsgebiete der analytischen Psychotherapie
Das Anwendungsgebiet der analytischen Psychotherapie ist sehr breit wobei eine psychoanalytische Behandlung oft einen sehr starken Selbsterfahrungscharakter hat.
Prof. Wolfgang Mertens:
“Das Bewusstsein, das Hier und Jetzt mit längst Vergangenem verknüpfen und umgekehrt frühe biographische Eindrücke mit der Gegenwart in Verbindung bringen zu können, stärkt das Gefühl von lebensgeschichtlichem Zusammenhalt und Kontinuität. Dadurch wird ein sinnvolles Leben überhaupt erst möglich.”
Das passende Motto einer analytischen Psychotherapie wäre am ehesten “Erkenne dich selbst”. Dieses Behandlungsverständnis steht in krassem Gegensatz zu der Zielsetzung einer Verhaltenstherapie. Das Motto der Verhaltenstherapie könnte am ehesten lauten “Optimiere dich selbst” oder “Kontrolliere dich selbst”. Die psychoanalytische Zielsetzung entspricht damit weniger dem modernen Selbstverständnis der Selbstoptimierung als den humanistischen Ideal der Selbsterkennung und Selbstbildung. Möglicherweise ist dies auch die ein Grund für den aktuellen Bedeutungsverlust der Psychoanalyse. Das Anwendungsgebiet der analytischen Psychotherapie hängt dabei weniger von den vorliegenden Symptomen als von der Zielsetzung des Betroffenen ab.
Prof. Wolfgang Mertens:
“Psychoanalytische Erfolgsmaße konzentrieren sich gerade nicht auf die Beseitigung engumschriebener Störungen, sondern beziehen sich in beträchtlichem Umfang auf Selbstreflexion, auf ein Aufgebenkönnen und Abtrauern unrealistischer Phantasien und Erwartungen und zum Teil auch auf ein Nachholen eines konflikthaft unterbrochenen Entwicklungsprozesses. Auch zielt die Therapie nicht auf das schiere Wohlbefinden im psychischen, körperlichen und sozialen Bereich, sondern auf die Fähigkeit Konflikte zu lösen oder sie auszuhalten, sich mit Leid und Trauer auseinanderzusetzen und ein selbstkritisches Bild der eigenen Person zu entwickeln.”
Besonders hilfreich kann die psychoanalytische Psychotherapie sein wenn der Betroffene Probleme mit sich selbst hat. Typisch sind subjektiv unlösbare Konflikte in Bezug auf die Lebensführung, die Berufstätigkeit oder die Familie. Innere Zerrissenheit bzw. innerseelische Konflikte stellen einen häufigen Grund für eine analytische Psychotherapie dar. Insbesondere bei Problemen im Selbstverständnis (“Wer bin ich?”) oder Entscheidungsschwierigkeiten (“Wo will ich hin?) kann die psychoanalytische Psychotherapie sehr hilfreich sein. Dabei fokussiert die analytische Psychotherapie nicht – wie die Verhaltenstherapie – auf das Ziel (“Ich will diese Prüfung machen!”), sondern auf den Konflikt bzw. den Entscheidungsgang (“Will ich überhaupt diese Prüfung machen?)”. Auch das Verständnis und die Lösung zwischenmenschlicher Konflikte ist ein typischer Grund für eine analytische Psychotherapie.
Mit Hilfe der analytischen Psychotherapie können aber auch psychische Erkrankungen erfolgreich behandelt werden. Dies gilt insbesondere bei psychosomatischen Symptomen und Depressionen. Bei Angststörungen, Panikattacken und Agoraphobie kann eine analytische Psychotherapie zwar auch sehr hilfreich sein, hier sind für eine Besserung der Symptomatik aber oft auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen entscheidend welche aus konzeptionellen Gründen kaum in eine psychoanalytische Psychotherapie integriert werden können. Auch bei Stresssymptomen, Schlafstörungen und Burnout könnte gerade eine analytische Psychotherapie längerfristig eine äußerst positive Wirkung auf die Symptomatik und die Lebenszufriedenheit haben, die Betroffenen haben hier aber oft ein sehr funktionales Selbstverständnis und neigen deshalb meist eher zu einer Verhaltenstherapie als zu einer analytischen Psychotherapie.
Ein Beispiel für die Relevanz der Verfahrenswahl für den Behandlungserfolg finden Sie hier.
Unser Behandlungsangebot in München
In unserer Praxis in München erfolgt im ersten Schritt eine sorgfältige diagnostische Abklärung Ihrer Beschwerden. Im nächsten Schritt klären wir gemeinsam das in Ihrem Fall passende Verfahren und geben dabei auch eine klare fachärztliche Empfehlung. Diese Vorgehensweise sorgt für bestmögliche Behandlungserfolge. In der Psychotherapie arbeiten wir grundsätzlich im Verfahren der psychodynamischen Therapie.
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